Sommerlager 1993 – Irland

 
Auf dem Weg nach Inisheer
Auf dem Weg nach Inisheer
Insel Inisheer
Insel Inisheer
 
 
Ein Kloster
Ein Kloster
 
 
 
 
 
 
Zelten im Garten
Zelten im Garten
 
 
 

Ein Tag mit den Argonauten in Irland

Auszug aus einem anonym bleiben wollendem Tagebuch

Am Mittwoch standen wir sehr früh auf, um unsere Bergtour zu machen. Karsten hatte sich für uns sehr viel vorgenommen; es handelte sich bei dem angestrebten Berg um den zweithöchsten Irlands, den An Barr Coagh. Er steht in einem von Schafen bewohnten Naturschutzgebiet. Die Straße dorthin wandt sich zunächst nur zwischen Hügeln. später aber zwischen bereits ernstzunehmenden Bergen durch; hinter den Hecken an ihrer Seite muhten kleine milchkaffeefarbene Kühe, und etwas abseits standen ab und zu Häuser. Nicht Häuser wie bei uns, quadratisch. praktisch zweistöckig. Nein - lang und niedrig geduckt, die bunte Tür in der Mitte und ein Fenster zu beiden Seiten derselben - wie ein einladendes Gesicht.
Wir passierten noch ein Schild, das ein “farmhouse B&B“ anpries und waren somit in einer unbesiedelten Gegend - die irischen Schilder stehen weit von dem Ort entfernt, auf den sie hinweisen: Es muß sich ja lohnen.
Endlich waren wir am Anfang unserer Wanderung angekommen, und es ging auch gleich mit einer (mindestens) 50% Steigung los, die wir nur mühsam und unter Verlust eines kreislauf- geschwächten Gruppenmitgliedes überlebten (nein, nein, sie starb nicht - sie ging zum Hostel zurück). Nach einer Weile erreichten wir einen von Bergen eingeschlossenen Stausee, bleifarben in einem düsteren, an drei Seiten von steilen grünen Riesen eingezwängten Tal:
Mittagessen und Auffüllen der Wasser Flaschen
Die Berge erhoben sich so direkt aus dem See, daß kein Platz für einen Weg, geschweige denn für ein Haus gewesen wäre. Sie wirkten wie grantige Ahnen, die sich aus ihren kalten Höhen übelwollend zu uns Kindern neigten.
Und auf einen von ihnen gingen wir jetzt rauf. Er mochte das gar nicht, warf uns alles entgegen, was er hatte: Sein erster Entmutigungsversuch war eine Moor- wiese, in der wir uns eine Runde nasse Fuße holten, aber bald den Trick von Büschel zu Büsche zu hüpfen heraus hatten. Der zweite Versuch war etwas erfolgreicher, er entmutigte einige von uns - aber nicht alle. Es war ganz simpel. Mache eine steile Strecke bergaufwärts, sprenkle sie mit großen und kleinen Steinen und - lasse sie endlos erscheinen. Er hatte aber nicht damit gerechnet, daß wir uns bei Pausen am Anblick der unter uns liegenden Landschaft so erfreuen könnten, daß auch die Schwächeren von uns frohen Mutes weitergingen.
Der See wurde immer kleiner und blauer, bis er aussah, als hätte Gott ein Auge im Grünen verloren, so tief und klar. Und am gegenüberliegenden Berghang wurden weiße Punkte mit Pfiffen und Gebell bergabwärts getrieben, mit einer halsbrecherischen Geschwindigkeit. Noch eine kleine Pause, noch eine kleine Kuppe, dann waren wir oben. Pustekuchen!
Ein weiterer Trick des alten Herrn: Vor uns stand noch eine - natürlich höhere - Spitze, zu der wir aber erst mal wieder von unserer ein Stück herunter steigen mußten. Damit hatte er die drei Jüngsten (Jule, Sisi und Nadja) aber endlich auch geschafft. Nur die ehrgeizigen “Großen“ brauchten das Wissen, auf dem zweithöchsten Berg Irlands gewesen zu sein und nicht nur auf dem dritthöchsten.
Dann doch ganz oben angekommen, versucht er es mit einem letzten Trick. Er zog sich seine Wolkenpudelmütze an, um uns die Aussicht zu verderben – aber Pech, er war zu langsam, und wir hatten schon alles gesehen, bevor wir in Watte gepackt wurden: Vor uns lag die ganze Halbinsel Dingle mit ihren graubraunen Bergen und grünen Tälern, und man konnte rechts und links von ihr das Meer sehen.
Der Abstieg war dreischichtig wie eine Torte: Oben weichste grüne Wiese, die den Füßen entgegen federte, zwischen grauen rundgeschliffenen Felsen. In der Mitte Heidekraut, Steine und Gebüsch, das alles so überwucherte, daß man blind den Hang hinunterrutschte, nie wissend, ob man nun hoch oder tief treten muß. Ganz unten Felsen und ein Fluß: Ausruhen und Schafe beobachten, die alle dekorative Punkte in Neonfarben auf dem Hintern trugen – es scheint, daß Neon noch in ist in Irland.
Auf dem Rückweg hatten wir die Gelegenheit, festzustellen, wie es sich auf den von oben so schön grünen Wiesen geht: Feucht – und von Gehen kann keine Rede sein, Hüpfen trifft es eher. Der Nachhauseweg war schweigsam, aber zufrieden. Und zur Belohnung gab es das Beste, was der Dorfladen zu bieten hatte: Irish stew und Beef stew aus der Dose (mittelmäßig) und Dosenobst als Nachtisch (hmmm!).

Stefanie Hoss