Falado-Segeltörn 1994 – Ostsee

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Vorbereitung
Vorbereitung

14.04.1994

"Falado, o Falado, wer seilt mit nach Falado?" So heißt es in einem kaum bekannten Lied im Bulibu. Ich habe zum ersten mal von einem Segelschiff mit diesem Namen 1988 auf dem hohen Meißner gehört, von Segeltörns in die Karibik, in den Pazifik und um die ganze Welt. Seitdem kehrte der Name immer wieder mal in mein Gedächtnis zurück und Ostern 1994 war es dann soweit: Die Sippe Amazonen unseres jungen Seepfadfinderstammes geht zum ersten mal aufs Wasser. Leider nicht in der Südsee oder in der Karibik aber doch immerhin auf der Ostsee von Kiel zur dänischen Insel Ærø.
Mit ihren 23 Metern Länge gehört sie eher zu den kleineren Segelschiffen, und dennoch war die "Santa Maria", mit der Kolumbus Amerika entdeckte, kaum größer als die Falado. Klein kam sie uns auch erst mal vor, nachdem wir doch vorher nur Fotos gesehen hatten und im Vergleich zur Gorch Fock, die gleich nebenan liegt, ist sie auch wirklich eher ein niedlich Ding. Klein, kalt und noch ziemlich besifft: Wir waren die erste Crew in diesem Jahr und bedauerten dies auch sofort bei unserem Eintreffen in Kiel. Da waren die Matratzen der Kojen vom Kondenswasser nass, die ganze Kajüte in einem eher unaufgeräumten Zustand und die Skylights (Fenster nach oben) noch zu reparieren, weil undicht. Unser Skipper meinte dann auch: „Segeln ist die teuerste Art unbequem zu reisen.“ Und etwas später: „Fahren auf der Falado ist wie hajken: nass, kalt und manchmal regnet’s auch rein.“ Nachdem die ersten anderthalb Tage unserer Fahrt noch die Elektrik in Ordnung gebracht wurde und von uns die Skylights mit viel brauner „Mocke“ (Ausdruck unseres Wuppertaler Skippers für eine Art seewasserfestes Silikon) wieder dicht gemacht wurden, ging's dann endlich los – mit der Segeleinweisung: Die Falado ist eine Brigantine, das heißt, sie hat zwei Masten, wovon einer mit Rahen (Querhölzern) versehen ist und der andere Schratsegel (Segel in Schiffslängsrichtung) trägt.
Besonders die Rahsegel hatten es uns angetan. Die höchste von dreien ist ca. 12 Meter hoch und Rahsegel werden eben gesetzt und wieder eingeholt, indem man die Wanten, eine Art Strickleiter an der Seite des Schiffes, hochklettert und sich dann mit dem ganzen Körpergewicht in Höhe des Magens auf die Rah legt, so dass der Körper vornübergebeugt langsam nach außen geschoben werden kann. Obwohl wir angekettet waren, hatten wir schon im ruhigen Hafen die Hosen ganz schön voll. Später, bei Seegang sollte sich herausstellen dass diese Körperhaltung hervorragend geeignet ist, das eben gegessene Nutellabrot flugs wieder aufs Deck zu befördern, vor allem dann, wenn der Bug sich aus dem Wasser hebt und die Rah so richtig schön in den Magen drückt. Wir haben deshalb vor dem Segelsetzen und -einholen immer nur mäßig gegessen und so unsere Mitsegler an Deck vor unerwarteten, vom Himmel herabfallenden Auswürfen bewahren können.
Nachdem wir am dritten Tag endlich aus der Kieler Förde heraus in Richtung Dänemark unterwegs waren, fuhren wir bei Windstärke fünf einen richtig schönen "Kotzkurs", wie unser Skipper meinte. Bei raumem Wind (Wind von schräg hinten) stampfte und rollte das Schiff in alle Richtungen, die gerade beliebten. Nach dem Fehler, mich für fünf Minuten unter Deck zu begeben, wurde ich meine grüne Gesichtsfarbe bis in den Hafen von Marstal auch nicht wieder los. Eine Erfahrung, die mich bewog, am folgenden Tag bei Windstärke 8, den ganzen Tag in der Kälte zu stehen. Das 40-Tonnen-Schiff bewegte sich dabei auf dem Wasser wie die oft zitierte Nussschale und ich war dem Skipper, der mir bei meiner Ruderwache immer wieder mal versicherte, dass das Schiff einen solchen Seegang gut abkann, für diese Bemerkungen sehr dankbar.
Am nächsten Tag hatten wir dann – Ironie des Schicksals – Flaute. So mussten wir dann den „Jockel“, den Motor anschmeißen, um wieder in Richtung Kiel zu gelangen.
Als wir dann am Samstag „unser“ Schiff an die nächste Crew übergeben mussten, hatte ich so etwas wie Eifersucht im Bauch, denn obwohl es die teuerste Art unbequem zu reisen war, haben wir uns fest vorgenommen nächstes Jahr wieder auf der Falado zu segeln.

Karsten Müller